Ein geschichtlicher Einblick

90 Jahre Katholische Sankt Elisabeth Ballenstedt

Die Sankt Elisabeth-Kirche Ballenstedt ist eine Kirche, die in ihrer Umgebung einmalig ist. Sie spiegelt den historischen Zeitgeist der Bauhaustradition in den Jahren 1920 bis zur Schließung des Bauhauses 1933 wieder und zeigt die radikale Modernisierung des gesamten Lebens. Die Technisierung wuchs in allen Bereichen und die Künstler und Handwerker des Bauhauses waren mit ihren Entwürfen und baulichen Projekten die Vorreiter der Entwicklung.

Westansicht der kirche
Westansicht der Kirche

Die unkomplizierte und schlichte Architektur der Bauhauskultur verband sich mit einer unkomplizierten Formensprache und einer funktionalen Schlichtheit. Und das wurde auch auf den Neubau der Sank Elisabeth-Kirche übertragen. Vor dem Beginn des Kirchenbaus fand ein Architektenwettbewerb statt. Eine der Vorlagen kam von dem Magdeburger Architektenbüro Josef Arnol und Hans Holtey. Es war Arnold, der sich letztendlich mit seinen Vorschlägen durchsetzen konnte. Ausschlaggebend waren vor allem die Baukosten. Das Bistum Paderborn, zu der damals alle katholischen Kirchen des heutigen Sachsen-Anhalts gehörten, bewilligte nach langen Diskussionen 35 000 Reichsmark. 12 000 RM musste die Gemeinde selbst aufbringen. Der Entwurf des Architekten Arnold entsprach den Anforderungen am besten. Der Plan hielt sich mit seinem rechteckigen Grundriss, der klassischen Dachform, dem machtvollen Westwerk, den monumentalen Portalen und den romanischen Rundbögen an die traditionelle Sakralarchitektur und gestaltete sie modern. Das Motiv der schlanken Zwillingsportalnischen wird auch im Langhaus des Kirchenschiffs übernommen


Die Farbgestaltung der langen schmalen Fenstergläser prägten den sakralen Innenraum. Die Abstufungen im Deckenbereich des Langschiffes und die räumliche Verschachtelung des Altarraumes wurden genutzt, um die Konzentration auf den Altar zu verstärken.
Der Abstufungen der Decke, die im Kirchenschiff zum Altar förmlich herunterläuft und der ursprüngliche Hochaltar sind deutlich zu erkennen Die einzelnen Elemente der Decke wurden farblich unterschiedlich gestaltet, sodass eine große Raumwirkung erzielt wurde. Diese Wirkung zeigte sich besonders nach den Renovierungsarbeiten, die ab 2002 durchgeführt wurden.

Westansicht der kirche
Die Fenster wurden expressionistisch gestaltet.

Der Grundstein der Kirche wurde am 31.05.1931 gelegt und nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr fand am 25.10.1931 die Segnung statt. Da an diesem Termin keine Honoratioren aus Paderborn teilnehmen konnten, wurde die Kirche dann erst zwei Jahre später durch den Weihbischof Augustinus aus Paderborn konsekriert (eingeweiht). Dem Architekten Arnold war es gelungen, vor der Schließung des Bauhauses durch die Nazis, eine der letzten Kirchen im Bauhausstil zu schaffen. 2020 war der 100. Geburtstag des Bauhauses. Aus diesem Grunde wurde die St. Elisabeth in ein Verzeichnis der etwa 120 europäischen Bauhauskirchen aufgenommen.




Um die Beendigung des Kirchenbaus 1931 überhaupt zu ermöglichen, war der Einsatz von gebrauchten Gegenständen und Mobiliar notwendig. Die Bilder der heiligen Elisabeth und des heiligen Bonifatius am Eingang der Kirche sind mit einer besonders seltenen Maltechnik hergestellt. Dabei handelt es sich um die aus der italienischen Renaissance übernommenen Sgraffitio Malkunst. Bei ihr werden verschieden Farbschichten übereinander aufgetragen und dann wieder hervorgekratzt. 1938 wurde der Kreuzweg eröffnet. Die 14 Stationen wurden von dem Künstler Georg Kemper als Terrakottatafeln hergestellt. Auf Grund der beim Bau der Kirche vorhanden Bedingungen, wie die Nutzung alter, gebrauchter Kirchenbänke und des äußerst sparsamen Materialeinsatzes kam es schon nach wenigen Jahre zu Schäden vor allem am Bauwerk. Die Feuchtigkeit zog sich in den Wänden bis zu 2 Meter hoch. Der Putz bröckelte ab. Man war sich sicher, dass eine Renovierung notwendig wurde. Diesem Wunsch nach einer Renovierung kam das II. Vatikanische Konzil 1962 entgegen. Auf diesem Konzil wurde festgelegt, dass die Priester während der Gottesdienste näher an den Gemeinden sein sollten. Das bedeutet, dass nicht mehr von der Hochkanzel gepredigt werden sollte und auch die Hochaltäre nicht mehr im Mittelpunkt des Gottesdienstes standen. Diese Forderung und der bestehende dringende Sanierungsbedarf der St. Elisabethkirche brachten es mit sich, dass die Gemeinde eine völlige Umgestaltung des Kircheninnenraumes beschloss. Der Hochaltar wurde abgebaut, und um vier Stufen abgesenkt. Das Material wurde für den Aufbau des neuen Altars verwendet. Die Hochkanzel wurde ebenfalls abgebaut. Die Sakristei wurde abgesenkt. Beides erforderte umfangreiche Baumaßnahmen im Keller. Dieser musste tiefer ausgeschachtet werden, was mit viel Handarbeit und Eigenleistung der Gemeindemitglieder verbunden war. Mit der Absenkung des Fußbodens im Keller wurde es auch möglich, später dort eine Heizung einzubauen.


1955 konnten die neu in Apolda gegossenen Glocken aufgehängt werden. Es sind drei gusseiserne Glocken. Aber auch diese konnten nur durch die große Spendenbereitschaft der Gemeinde bezahlt werden. 1961 wurden die neuen in Emailie gearbeiteten Tabernakel-Türen eingebaut. 1963 wurden die Bilder der Heiligen Elisabeth und de> Heiligen Bonifatius im Eingangsbereich restauriert. Im Jahr 1966 wurde die vorhandene Orgel ausgebaut und erneuert. Mit dem Aufstellen eines neuen Holzkreuzes im Jahr 1973 wurden die Renovierungsarbeiten abgeschlossen. Geschaffen wurde das Kreuz von dem Dresdner Künstler Friedrich Press. 2002 wurde erneut eine Renovierung der Kirche begonnen. Die alten Sitzbänke mussten erneuert werden. Die Wände wurden neu geputzt. Die gesamten Fußböden wurden erneuert und mit einer Fußbodenheizung versehen. Ein wesentlicher Aspekt bei der Renovierung war die Erneuerung der Kirchenfenster. Sie waren durch Witterungseinflüsse sehr stark geschädigt. Die neuen Fenster wurden in Zusammenarbeit der Firma Schneemelcher Quedlinburg und dem Glasgestalter Günter Grohs aus Wernigerode geschaffen. 2018 wurde die Renovierung mit einer neuen Farbgebung und dem Austausch der alten Orgel, gegen eine elektronische Orgel (Organola) abgeschlossen.


© Pfr. W. Runge, Ballenstedt im Oktober 2021